Luke Garner hatte schon Schwielen am Hintern. Vom endlosen Ritt durch die Täler und Flussläufe des Grand Canyon, in denen er die Spur der ruchlosen Bande verfolgte, die seine Frau Jane und seinen Bruder Roy überfallen, ausgeplündert und erschossen hatten. Wieder und wieder hatten sie versucht, ihre Spuren zu verwischen. Aber Luke war ein Meister im Fährtenlesen und ahnte, was ihr eigentliches Ziel sein könnte. Auch Freunde unter den Navajos, bei denen er aus früheren Tagen noch Einiges gut hatte, konnten ihm Tipps über die Route der Gesuchten geben. Von den vier Übeltätern waren nur noch zwei am Leben: Jack und John Heath. Die anderen beiden, Joe und William, waren bereits tot. Der eine wurde mit gezinkten Karten beim Pokerspielen erwischt und erschossen, der andere, Joe, wurde von Marshal Cody bei einem Banküberfall mit drei Toten überwältigt und in Tucson hingerichtet.
Luke gönnte sich eine Rast. Auch sein treues Pferd Blacky benötigte eine Pause. Luke führte es an eine Wasserstelle. Als er aufblickte, sah er eine dunkle Wand aufziehen. „Verdammt! Regen kann ich nicht gebrauchen, und wenn es nur Nieselregen ist: das verwäscht mir die Spuren!“ Luke sackte zusammen. Die fortdauernden Anstrengungen der letzten Monate hatten ihn ausgelaugt. Und so kurz vor dem erhofften Ziel: er müsste sich irren, wenn das nicht Tombstone wäre. Der Silberrausch hatte Scharen von Glücksrittern angezogen und er glaubte, dass die verbliebenen Heath-Brüder dort ihr Glück suchen wollten. Mit dem gestohlenen Geld wollten sie einen Claim erwerben, da war Luke sich sicher. Aber jetzt musste er sich entscheiden, der Himmel zog sich mehr und mehr zu. Luke fand schnell einen Unterschlupf für sich und Blacky. „Der Tag ist verdorben“, sagte er. „Aber nach jedem schlechten Tag kommt eine neue Chance!“
Der neue Tag zauberte einen blauen Himmel herbei. Die Luft fühlte sich so rein und weich an, dass es Luke ganz warm ums Herz wurde. „Heute schnappe ich sie mir, Jane! Und heute, Roy, schlägt die Stunde der Rache! Heute beißen sie ins Gras! Das verspreche ich euch!“
Mit neuer Zuversicht ritt er los. „Tombstone, ich komme!“ rief er. Nach einem halben Tagesritt erreichte er die Stadt, die aus allen Nähten platze. Für das Zimmer im Saloon musste er ganz schön hinlangen, das Silber hatte die Preise hoch getrieben. Big Nose Kate, die Barkeeperin mit dem passenden Spitznamen, kannte er von früher. Und bereits nach dem ersten Gespräch mit ihr wusste er, dass es für ihn nichts mehr zu tun gab. Die Heath-Brüder waren tatsächlich nach hier gekommen. Jack war vor einer Woche in einer bewaffneten Auseinandersetzung mit Silberschürfern niedergeschossen worden. Seinen Bruder John hatte man bei gleicher Gelegenheit verhaftet. Aber dann war er aus dem Gefängnis befreit und von Unbekannten gelyncht worden.
Luke schluckte nicht schlecht, als der Sheriff von Tombstone ihm am nächsten Morgen einen Beutel brachte. „Das haben wir bei John gefunden, als wir ihn in Gewahrsam genommen haben“, sagte er, „einen Lederbeutel mit der Gravur Roy Garner und mit eintausend Dollar in Gold darin. Schätze, das gehört jetzt dir!“
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Urheber Von Grombo – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=848069
das ist ja mal wieder ein ganzer Film! Toll gemacht!
Ich sehe ihn förmlich reiten! An dir ist doch ein Erzähler verloren gegangen, lieber Werner, in solchen Momenten scheint er durch! Sehr schön, vielen Dank!
Sag bloß, das macht keinen Spaß!?
Liebe Grüße
Christiane
Ich bin selbst von mir überrascht, liebe Christiane!
Ein kompletter Western – ganz groß!
Danke. Wollte ihn auch nicht zum Mörder machen.
Na mal ganz woanders (unterwegs) 😀 Und das Pferd heißt Blacky, cool, meins auch …ähm…ich meine mein Pferd mit Rädern.
Tolle Story! Als wär man dabei gewesen (wobei ich das nicht wollte, so wie einem da die Kugeln um die Ohren zischen…)
Viele Grüße!
Danke Miki. Liegt wohl daran, dass mein älterer Bruder mir als Junge immer die ausgelesen Tom Prof und Billy Jenkins
… Tom Prox und Billy Jenkins rüber geschoben hat.
Sehr sympathisch, dass dein Held nicht zum Mörder werden muss und am Ende seine Familie doch irgendwie gerächt ist. Mein Kopfkino ist beim Lesen auch direkt angesprungen!
Jack, John, William? Ich muß an die Daltons aus Lucky Luke denken 😉
Vielleicht hatten die ja verschiedene Identitäten …😊😊
Ich liebe Western….aber nur die alten…Toll geschrieben – ich höre fast den Coyoten heulen und sehe die Steppenläufer über den Bildschirm wehen…
Toll
Ja, die alten Western haben schon was! Ich liebe die auch. Und es freut mich, wenn Dir meine Geschichte gefallen hat!
Oh wie toll ein Western. Habe ewig keinen mehr gesehen oder was in der Richtung gelesen. Deiner gefällt mir richtig gut. Tragisch, mit Held, Pferd und gutem Ende. Top! 🙂
Grüße, Katharina.
Danke! Bei jeder Einladung denkt man ja darüber nach, was man dieses Mal bringen soll. Und da fiel meine Wahl auf Western. Hab ich als Jugendlicher viel gelesen. Und „Für eine Handvoll Dollar“ habe ich mindestens schon 20mal gesehen.