Dunkle Nacht umfing die See und ließ nur andeutungsweise die Umrisse des alliierten Geleitzuges HX 229 im Sehrohr von U-89 erkennen.
„Oberbootsmann Winter, legen Sie Ihren Malkasten zur Seite, wir werden Ihnen ein schöneres Motiv liefern als die behaarten Beine von Signalmaat Müller!“
„Wie das, Herr Kapitänleutnant?“
„Wir haben in Kürze Feindberührung, Winter! Zusammen mit U-154, U-209 und U-47 mit Prien bilden wir ein Wolfsrudel und werden den Konvoi, der heute Nacht in unsere Koordinaten einfährt, vor uns her jagen und gezielt von mehreren Seiten angreifen. Der Himmel wird brennen, und Sie können es auf Ihre Leinwand bannen! Mensch, Winter, das wird ein Anblick! Statt Farben zu rühren und Pinsel zu schwingen fangen Sie schon mal an, unsere Torpedos vorzuheizen! Und ab jetzt nur noch Flüsterton!“
„Jawoll, wird veranlasst!“ flüsterte Winter.
Lang ersehnte Anspannung: Feindberührung, endlich! Den Tommy in die Knie zwingen, und dann ab nach Hause.
Zu lange pflügten sie schon gleitend und suchend durch die Wellen des rauen Atlantiks. Heimweh hatten sie alle. Nun noch ein letzter Kampf, und dann ab nach Fink II am Rüschkanal auf Finkenwerder in den Urlaub.
Gegen drei Uhr Nachts kam über die Enigma das Kommando zum Angriff. U-89 lag gut und konnte mit dem Abschuss seiner „Zaunkönige“ erfolgreich zwei Frachter und eine Begleitfregatte in Brand schießen. Der Kapitänleutnant hatte auftauchen befohlen, so dass man das ganze Inferno aus brennendem Öl, explodierender Munition und Krachen der sinkenden Schiffe verfolgen konnte.
Auch abseits des Geleitzuges brannte es. Man sah, wie sich ein U-Boot aufbäumte und dann senkrecht in die Tiefe rutschte. „Verdammt! Das war Prien!“ stieß der Kommandant hervor. „Das kann nur ein Kreisläufer gewesen sein! Der hat sich selbst torpediert!“ Und nach einer Pause: „Aber Schnauze halten, habt ihr alle verstanden!? Das darf nicht bekannt werden, sonst reißt Dönitz uns den Kopf ab!“
(300 Worte)
Bilder: lizenzfrei
Infos zu Kreisläufern:
https://de.wikipedia.org/wiki/Kreisl%C3%A4ufer_(Torpedo)
Info zu weiteren Fällen:
https://www.spiegel.de/sptv/themenabend/a-135326.html
Wikipedia:
Die Kriegsmarine verlor vom 1. September 1939 bis zum 31. Januar 1945 insgesamt 48.904 Soldaten (davon 2.475 Offiziere) als Gefallene, 25.259 (554) Soldaten als Verwundete und 100.256 (2.174) Soldaten als Vermisste.
An Schiffen und Booten gingen verloren: 4 Schlachtschiffe und -kreuzer, 5 Schwere Kreuzer, 4 Leichte Kreuzer, 2 alte Linienschiffe, 27 Zerstörer, 68 Torpedoboote, 27 Geleitboote, 106 Minensuchboote, 185 Räumboote, 152 Schnellboote, 968 U-Boote, 525 Marinefährprähme, 9 Hilfskreuzer, 35 Minenschiffe, 66 Sperrbrecher, 3 Minenräumschiffe, 132 Hilfsminensuchboote, 137 U-Bootjäger, 189 Vorpostenboote, 278 Küsten- und Hafenschutzboote, 86 Sicherungsboote, 21 Hilfsgeleitboote und ca. 200 sonstige Schiffe und Boote.
Kriegstote im Zweiten Weltkrieg:
Spannende Erzählung. Ich war letzte Woche auf einem Uboot. Es muss super beklemmend gewesen sein, wochenlang da eingesperrt zu sein und nie zu wissen, ob man entdeckt wird.
Das mit den Kreisläufern habe ich noch nie gehört.
Grüße, Katharina
Ja, das wurde auch unterm Tisch gehalten, damit das groß aufgebaute Image der auf allen Schlachtfeldern zunächst so erfolgreichen Wehrmacht nicht angekratzt wurde.
Gruß Werner
Wie Katharina. Man muss einmal auf so einem Ding gewesen sein, um sich die Enge vorzustellen. Und dann die Angst. Und der Gestank. Da durchzudrehen ist leicht.
Ziemlich furchtbar, das Geschehen hinter deiner Etüde.
Liebe Grüße
Christiane, die vor ein paar Jahren mal in einem russischen U-Boot war (liegt im Hamburger Hafen)
Sehr beklemmend, trotz einiger witzigen Stellen und somit eine gelungene Etüde, lieber Werner!
Krieg ist immer eine schlimme Sache. Wir können froh sein, dass wir schon lange Frieden haben. Aber gerade deswegen dürfen wir auch nicht die Augen vor Konflikten in anderen Regionen schließen. Auch Waffenlieferungen unter der Vorgabe, Frieden zu stiften, fallen darunter.
Ich stimme dir vollkommen zu, lieber Werner. Den Frieden scheinen bei uns einige allerdings nicht zu schätzen, sondern spielen lieber mit dem Feuer. Hoffen wir, dass sich niemand verbrennt…
Vielleicht sollten wir uns die Schüler zum Vorbild nehmen, die in wenigen Monaten mit ihren Freitagsdemos etwas in Bewegung gesetzt haben!
Genau! Da soll noch mal jemand sagen, die wollen ja nur die Schule schwänzen
!
So sinnloses Sterben, …
Ich merke gerade, dass ich echte Bildungslücken habe, nicht so sehr bezüglich des U-Boot-Krieges, als des 2. Weltkriegs in Ostasien, das sind ja monströse Zahlen.
Danke
Natalie
Ja, alleine China und die Sowjet-Union, das sind Zahlen, die kann man sich gar nicht vorstellen!
Sowjetunion war mir ja gerade noch präsent, Japan auch, aber dass dieser Krieg auch so in China und Indien getobt hat war mir nicht klar, gehe mal nachlesen