ABC-Etüden 47-48.20 – Seelenverwandtschaft


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Seelenverwandtschaft

„Hermann, was tust du eigentlich den ganzen Tag lang, wo du jetzt in Rente bist? Ich sehe immer nur dein griesgrämiges Gesicht hinter dem uralten Schreibtisch von Opa Fritz!“

„Mal dies, mal das, Martha, was mir so in den Sinn kommt.“

„Das heißt, Hermann, du hast keinen festen Plan?“

„Nein, Martha, hab ich nicht. Wozu auch, mich drängt ja keiner!“

„Aber man muss doch einen Plan haben, Hermann. Dein Bruder Wilhelm hat einen. Und ist glücklich damit.“

„Soll er doch, Martha. Ich bin auch so glücklich!“

„Lies doch einfach mal etwas, Hermann, dann wird dir die Zeit nicht lang!“

„Ich lese ja regelmäßig, Martha. Im Computer.“

„Im Computer kann man lesen, Hermann? Was du nicht sagst! Und was liest du da, wenn ich fragen darf? Doch wohl kein schmutziges Zeug, oder? Sei ehrlich, Hermann!“

„Ich stöbere in den Etüden von Christiane!“

„Ist  das eine Hundezeitung über Rüden?“

„Nein, das sind E-t-ü-d-e-n!“

„Ach so, und wovon handelt das?“

„Das ist eine nie versiegende Quelle von wohltönenden Gedichten und Geschichten von geistig regen Leuten mancherlei Geschlechts, die gerne ihre Gedanken niederschreiben.“

„Und sowas liest du!? Mario Simmel und Karl May sind dir wohl nicht gut genug?“

„Es geht bei den Etüden nicht um diese alten Wortklauber , sondern darum, seinen eigenen angemessenen Stil für seine Gedanken und Ideen zu finden und durch andere Gleichgesinnte beurteilen zu lassen. Das ist sozusagen ein Prüfstand für das eigene Ausdrucksvermögen, liebe Martha.“

„Das hast du aber schön gesagt, Hermann. Kennt ihr euch denn alle persönlich?“

„Nein, leider sind die meisten von uns sich noch nie persönlich begegnet. Das sind nur virtuelle Kontakte.“

„Ach so, Hermann, jetzt verstehe ich, ein Virtualienmarkt also, für geistige Tauschgeschäfte!“

(278 Worte)

36 Comments

  1. So siehst du die Etüden, lieber Werner, als Prüfstand für das eigene Ausdrucksvermögen? 🤔 Interessant! 😁
    Ich glaube, ich sollte mal rumfragen.
    „Virtualienmarkt“ fände ich übrigens einen verdammt guten Titel für einen Blog, aber der ist bestimmt schon weg.
    Und bei einem echten Etüdentreffen wäre ich echt gerne dabei!!! ❤️😁👍

    1. Die Erwartung auf Rückmeldungen haben wir doch alle, denke ich mal. Irgendwie schicken wir doch alle eine Botschaft mit den Etüden aus: von hey, schau mal, das habe ich daraus gemacht bis was haltet ihr davon? Der Antrieb zur Teilnahme ist doch auch ein wenig der Stolz auf sich selbst und die Bereitschaft zu teilen.

        1. Das war wohl primär zu Beginn so, weil man da mal hören wollte: interessiert das überhaupt jemanden, was du da zusammenschreibst. Je länger man dabei ist und die Vielfältigkeit sieht, je mehr kommt ein Gefühl: hier fühle ich mich wohl, hier kann man auch mal was probieren, in diesem Zug fahre ich weiter mit in tausend neue Welten.

    1. Ja, Du hast es erkannt: ich liebe Loriot und hatte seine Geschichte mit der Illustrierten ein wenig im Hinterkopf, aber in erster Linie sollte es eine Hommage an die Etüden und damit auch Dank an Christiane sein.

      1. Ich hatte diesen einen Loriot-Film vor Augen, in dem ein Herr im Sessel einfach nur so da sitzt und nichts macht, und von seiner Frau mit Fragen und gutgemeinten Vorschlägen bombardiert wird, und dann schaukeln sie sich gegenseitig hoch.

  2. Echt super! Hab richtig laut gelacht beim Lesen – sehr kreativer Genuß… Und Du hast recht auf dieser Christianes Spielwiese macht es richtig Freude – weil hier gehts einfach um den Spaß was zu erschaffen – allein mit unserer Fantasie – das ist toll!

  3. Lieber Werner,
    Vielen Dank für deine Etüde.
    Auch ich hatte Loriots Bilder und Worte im Kopf.
    Und ich finde es klasse, was du daraus gemacht hast.
    Den Virtualienmarkt liebe ich auch – und einem Treffen wäre ich auch nicht abgeneigt.
    Herzliche Grüße
    Judith

  4. Einfach nur hier sitzen – darauf habe ich auch gleich nach den ersten Worten gewartet. Die Wortschöpfung vom Virtualienmarkt finde ich auch grosse Klasse,.
    Die Ansicht teile ich nicht, dass jeder Bloggende etwas veröffentlicht, um etwas beurteilt oder gelobt zu bekommen. Es gibt auch andere Intentionen. Aber das muss eben jeder für sich entscheiden, was ihm in der Sache wichtig ist und wie es ihm am liebsten ist, gelesen und kommentiert zu werden.

  5. Eine wirklich schöne Hommage an die Etüden, auch weil Martha sich letztlich anschließt ! Ich schließe mich übrigens auch an. Es ist ein sehr feines und langlebiges Projekt.

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