Christiane hat für diesen Montag als Balladen-Tag eingeladen.
Als älteste Balladen aus dem deutschen Sprachraum werden die Heldenlieder genannt. Die wohl älteste Überlieferung ist das Hildebrand-Lied, das in 68 Zeilen fragmentarisch erhalten ist. Es ist in Althochdeutsch verfasst, das ich zwar noch in der 12. oder 13. Klasse im Deutschunterricht gelernt habe, aber heute nicht mehr so beherrsche, dass ich es flüssig lesen könnte. Deshalb heute als mein Balladen-Betrag die hochdeutsche Übersetzung des Textes aus der 2. Hälfte des 8. Jahrhunderts.
Das Hildebrand-Lied
Ich hörte das sagen,
dass sich als Herausforderer einzeln mühten:
Hildebrand und Hadubrand zwischen zwei Heeren.
Sohn und Vater richteten ihre Rüstung,
strafften ihre Kampfgewänder, gürteten sich ihre Schwerter um,
die Helden, über die Rüstung, als sie zu dem Kampf ritten.
Hildebrand sagte, Heribrands Sohn, er war der ältere Mann,
des Lebens erfahrener, er begann zu fragen,
mit wenigen Worten, wer sein Vater gewesen sei
unter den Menschen im Volke…
„…oder aus welchem Volke du bist
wenn Du mir einen nennst, kenne ich die anderen
Menschen im Reich, bekannt ist mir die ganze Menschheit“.
Hadubrand sagte, Hildebrands Sohn:
„Das sagten mir unsere Leute,
alte und weise, die früher schon da lebten,
dass Hildebrand mein Vater heiße, ich heiße Hadubrand.
Vormals ist er nach Osten geritten, er floh den Zorn Odoakers,
dorthin mit Dietrich und vielen seiner Kämpfer.
Er ließ im Lande arm zurück
die Frau in der Hütte und den unerwachsenen Sohn
erbelos: Er ritt nach Osten hin.
Deswegen erlitt seither Dietrich die Abwesenheit
meines Vaters: Der war ein so freundloser Mann.
Er zürnte Odoaker unmäßig,
der liebste der Kämpfer Dietrichs.
Er war immer an der Spitze des Heeres, ihm war immer der Kampf zu lieb,
Bekannt war er…den Tapfersten.
Ich glaube nicht, daß er noch lebt…“
„Weißt Du Gott“, sprach Hildebrand, „oben vom Himmel,
daß du niemals solchermaßen verwandte Männer
in eine Angelegenheit hast geraten lassen!“
Er wand sich dann von den Armen gewundene Ringe ab,
aus kaiserlichem Gold gemacht, wie sie ihm der König gab,
der Herrscher der Hunnen. „Das gebe ich dir nun aus Freundschaft!“
Hadubrant, Hildebrands Sohn, sagte:
„Mit dem Speer soll man Geschenke annehmen,
Spitze gegen Spitze!
Du dünkst dich, alter Hunne, unmäßig schlau.
Verlockst mich mit deinen Worten, willst deinen Speer nach mir werfen.
Du bist ein so alter Mann, wie du ewig Betrug im Sinn hast.
Das sagten mir Seeleute,
westlich über dem Ozean, dass ihn ein Kampf hinnahm:
Tot ist Hildebrand, Heribrands Sohn!“
Hildebrand, Heribrands Sohn, sagte:
„Wohl sehe ich an deiner Rüstung,
daß du daheim einen guten Herrn hast,
daß du in diesem Reich noch nie vertrieben wurdest.
Wohlan, nun walte Gott, sagte Hildebrand, Unheil geschieht:
Ich wanderte 60 Sommer und Winter außer Landes;
wo man mich immer in das Heer der Kämpfer einordnete.
Wenn man mir an jedweder Burg den Tod nicht beibringen konnte:
Nun soll mich das eigene Kind mit dem Schwerte schlagen,
niederschmettern mit der Klinge, oder aber ich werde ihm zum Töter.
Du kannst wohl leicht -wenn deine Kraft (dir) ausreicht-
von einem so alten Mann eine Rüstung gewinnen,
Beute rauben, wenn Du da irgendein Recht hast.
Der sei doch nun der feigste, sagte Hildebrand, von den Ostleuten,
der dir nun den Kampf verweigerte, wo es dich doch so sehr gelüstet,
nach gemeinsamem Kampf; (nun) versuche wer mag,
wer von beiden heute das Gewand lassen muß
und dieser Brünnen beider walten (wird).“
Dann ließen sie zuerst die Eschenlanzen bersten
in scharfem Kampf, daß sie in den Schilden steckten.
Da ritten sie gegeneinander, spalteten farbige Schilde,
schlugen gefährlich auf weiße Schilde,
bis ihnen ihre Lindenschilde zu Bruch gingen,
zerstört von den Waffen…
Ob das Ende tragisch war, kann man nicht sagen.
Das Alt- und Mittelhochdeutsche hat mich damals fasziniert. Und so ist es dann auch nur folgerichtig gewesen, dass das Verlobungsversprechen zwischen mir und meiner „Auserwählten“ denn auch auf einem mittelhochdeutschen Text aufbaute, der als das älteste mittelhochdeutsche Liebeslied gilt:
Der Originaltext dazu:
Dû bist mîn, ich bin dîn.
des solt dû gewis sîn.
dû bist beslozzen
in mînem herzen,
verlorn ist das sluzzelîn:
dû muost ouch immêr darinne sîn.
Lieber Werner, auf das Hildebrandslied als Beitrag zum Balladentag wäre ich nicht gekommen. Was für ein gewaltiges Stück Literatur!
Und ebenso habe ich schon lange nicht mehr an „Dû bist mîn …“ gedacht, das mich in der Schule verfolgt hat. Wie schön, dass du so eine besondere Beziehung dazu hast! 🧡
Herzliche Morgenkaffeegrüße, danke, dass du beim Balladentag dabei bist ☁️☕🍩
Ja, das Du bist min habe ich auch aus der Schule. Im Gegensatz zu meinen Mitschülern hatte ich an der alten Sprache aber grossen Gefallen und konnte am Ende alles problemlos lesen und verstehen.
Kam vielleicht daher, dass der Opa mir auch das Plattdeutsche beigebracht hat.
Das waren kriegerische Zeiten, aber allzuviel Fortschritte hat die Menschheit ja nicht gemacht, nur die Waffen sind andere.
Ja durch die Erfindung der Distanzwaffen wurde es dann noch einfacher jemanden zu töten, ohne ihm dabei ins Gesicht sehen zu müssen.
Offenbar habt ihr das Schlüsselin Gedicht umgesetzt. Das ist schön und selten. Glückwünsche dazu🌹
Danke, hält noch immer, weil der Schlüssel immer noch verloren ist.
Erstaunliches Gedicht, dieses älteste mittelhochdeutsche Liebeslied.
Dieses Sich-bekennen zum anderen, ohne Wenn und Aber!
Lieber Werner, danke für das Hildebrandlied. Ich habe es erst viel später entdeckt, im Seniorenstudium an der Germanistischen Fakultät der Uni Leipzig. Die Professorin hat es vorgelesen und seit dem intressiert mich die Sprachgeschichte sehr.
Grüße an dich.
Ja, und es ist ein ganz klassisches Thema geblieben: Vater/Sohn Konflikt, auch in der Moderne: siehe James Dean.
Das kenne ich auch noch aus der Schule. Fand ich schon damals faszinierend, weil es nochmal einen ganz anderen Blick auf die Zeit wirft. Verstehe, dass du/ihr das gewählt habt.