ABC-Extraetüden 05.21 – Ein schöner Tod


Link zu Christianes Schreibeinladung

(CN)

Aufgeregt zu diesem Beitrag wurde ich durch die nachfolgende Todesanzeige in unserer gestrigen Tageszeitung. Wobei ich mir nicht anmaße, irgendwelche Texte zu kritisieren oder zu hinterfragen. Was mich dagegen aufregt ist die Tatsache, dass sich die Redaktionen überhaupt nicht mehr bemühen, Texte dieser ganz besonderen Kategorie z.B. auf Schreib- oder Grammatikfehler zu überprüfen. Unbesehen wird alles gedruckt, selbst wenn es sich als Peinlichkeit herausstellt. Ich kann mich erinnern, dass das früher ernsthafter betrieben und jede Anzeige als eine Art Beratung geprüft und ggfs. gemeinsam korrigiert wurde.

Auch gestern erschien in der gleichen Zeitung ein Artikel über den verstorbenen Entdecker des Ozonloches. Und da heißt es wörtlich: „Er hinterlässt seine Frau, zwei Töchter und drei Enkel.“ Die allgemein übliche Formulierung hörte sich gestern für mich so an, als wären es Sachen wie Auto, Fahrrad, drei Bücher und die Familie.

Und dann kam ich irgendwie auf die auch sehr übliche Redewendung, wenn man ohne größeres Leiden verstirbt: er/sie hatte einen „schönen“ Tod.

Gibt es das denn, einen schönen Tod?

Jedenfalls hat mich diese Frage zu den durchaus sehr ernst gemeinten nachfolgenden Zeilen gebracht.

(Name von mir geändert)

Ein schöner Tod

Ich wünsche mir einen

goldenen Sarg aus Worten

mit einem orangenen Kopfkissen

weiß mit Fragen ausgekleidet

und zwei Bluetooth-Lautsprechern

damit ich hören kann

was sie über mich sagen

ob sie erschüttert sind

und ob sie einen Streuselkuchen

für mich backen wollen

und die obligatorische Hühnersuppe servieren

ob einer von den Erben Zetermordio schreit

weil er sich nicht angemessen bedacht glaubt

Vielleicht werde ich mich fragen

ob ich im Jenseits zu weichmütig war

23 Comments

  1. Wenn ich dir bei etwas zustimme, dann dabei, dass Rechtschreibfehler in Anzeigen/Artikeln furchtbar peinlich sind/sein können. Dein oben gezeigtes Beispiel lässt mich wirklich schaudern. :-(((
    Deine Etüde: Meinst du am Ende wirklich, dass du „im Jenseits“ zu weichmütig warst, nicht im Diesseits? Dann müsste ich dich um Erklärung bitten. Und oh: Hühnersuppe? Echt jetzt? 😉
    Sonntagnachmittagkaffeegrüße! 😀

    1. Liebe Christine, aus jetziger Sicht wäre ich nach der Beerdigung ja im Jenseits, aber aus der Sicht in meinem neuen Diesseits wäre mein altes Leben ein Jenseits. So hatte ich mir das gedacht, deswegen auch vorher der Absatz oder wenn Du es wörtlich nehmen willst: die Leerzeile.

  2. Ach du Schreck, da werden die Lesenden, vor allem die Leserinnen auch gleich zu den Ahnen versammelt 🙂
    Viele gängige, überstrapazierte Formulierungen sind eigentlich furchtbar nur fällt es uns im Normalfall nicht auf. An manchen Tagen hat man aber so einen klarsichtigen Blick …

  3. Gut, dass ich nie Todesanzeigen lese. Deine Zeilen gefallen mir hingegen sehr gut. Das mit den Lautsprechern gibt es übrigens tatsächlich. Habe ich in einer Ausstellung über skurrile Bberdigungsriten gesehen.

  4. Mir kommt bei dem Part mit den Lautsprechern eine Führung über einen schottischen Friedhof in den Sinn, die ich 2013 mitgemacht habe und bei der auf viktorianische Begräbnisrituale eingegangen wurde. Damals hatte man Angst, lebendig begraben zu werden, und wer es sich leisten konnte, ließ sich ein Glöckchen in die Gruft legen, um in einem solchen Fall läuten zu können.

    Die Formulierung in der Zeitung, die du eingekringelt hast, fällt für mich in die Kategorie „Stilblüten“ bzw. mehr als unschöne Wortfolge.

    Auf jeden Fall fand ich diesen Beitrag sehr erhellend und informativ.

  5. Die Vielfalt der Vorstellungen rund um den Tod ist schon manchmal skurril, gerade in den modernen Zeiten, wo die Menschen sich um die eigene Inszenierung selbst kümmern, damit es so wird, wie sie es wollen, weil sie nicht mit Musik beerdigt werden wollen, die sie nicht selbst ausgesucht hätten.
    Manche befürchten ja, dass es stimmen könnte, nachtodlich noch ein Weilchen drüber herumzuschweben, Andere würden dann eben gern die Nachreden belauschen und gucken, ob das Büffet nicht zu geizig ausfällt. 🙂
    Schlampige Rechtschreibung und ständig falsche Namen und Telefonnummern sind inzwischen leider inn unserer Regionalzeitung allzu üblich.

  6. Du hast es mal wieder geschafft, mir ein Schmunzeln ins Gesicht zu zaubern, denn die Motivation zu deinem Beitrag ist ebenso gut, wie deine Etüde, lieber Werner.
    Hühnersuppe beim Leichenschmaus ist mir absolut neu, aber für die Magen-Darm geplagten Trauergäste sicher keine schlechte Kost!

    1. Früher fanden die Einladungen nach der Beerdigung ja im Hause statt, und da war es einfach praktisch, eine Suppe vorzukochen. Und der Streuselkuchen war haltbar, wenn nicht alles gegessen wurde. Nachhaltigkeit nennen wir das heute.
      Dein Schmunzeln ist ein schöner Dank für mich!

  7. Lieber Werner,
    beim Lesen kam mir vieles bekannt vor und du hast vollkommen recht! Noch nicht einmal vor Todesanzeigen in den Zeitungen hat der Fehlerteufel von Menschenhand geschrieben, Respekt. Ist es doch das letzte Schriftzeugnis, der Nachruf auf einen Verstorbenen.
    Das mit der Hühnersuppe ist mir weniger bekannt, aber ein durchaus guter Brauch zur Beerdigungsfeier. Besonders in den kalten Jahreszeiten ist es sicherlich empfehlenswert.
    Streuselkuchen und Riemchenapfel waren/ sind in unserer Gegend immer auf dem Tisch.
    Gelungene Etüde, die deine Geschichte, meinen Dank an dich fürs lesen lassen 😉
    Liebe Grüße
    Heike

      1. Das ist wirklich ein stolzer Preis! … Da kann ich nicht mehr viel zu sagen außer: „Qualität hat ihren Preis“ verliert viel an Aussagekraft…
        Riemchenapfel ist hier im Rheinland ein sehr beliebter Kuchen, der nicht nur zu Beerdigungen auf dem Tisch steht und bei jedem Bäcker ein Muss in der Auslage 😉 … hier mal der Link zum Rezept bei Chefkoch: https://www.chefkoch.de/rezepte/839161188969388/Apfelkuchen-aus-Hefeteig-mit-Gittern.html

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